Logopädin in der UK-Versorgung – Interview mit Anja Tschoke, Logopädin und Medizinprodukteberaterin für Kommunikationsmittel
Hallo Anja! Du bist Logopädin und arbeitest als Medizinprodukteberaterin für Kommunikationsmittel. Wie unterscheidet sich dein Arbeitsalltag von deinem ehemaligen Alltag als Therapeutin?
Genau, ich bin Logopädin und seit 2023 für eine deutschlandweit handelnde Hilfsmittelfirma, deren Hauptsitz in Halle (Saale) ist, tätig. Der Fokus meiner Arbeit liegt auf Produkten für Unterstützte Kommunikation und deren individuell auf den Patient:innen angepassten Einsatz.
Ich betreue, anders als früher in der Praxis, nicht mehr wöchentlich die gleichen Patient:innen. Stattdessen plane ich meine Beratungen und Erprobungen mit den Angehörigen und Fachkräften. Die interdisziplinäre Arbeit ist dabei total wichtig, da das Umfeld die unterstützt kommunizierende Person deutlich besser und länger kennt als ich.
In der Beratung bzw. Erprobung testen wir gemeinsam alle Möglichkeiten im Rahmen der UK. Da werden beispielsweise (statische und dynamische Kommunikationshilfen sowie unterschiedliche, Ansteuerungsmöglichkeiten ausprobiert). Bei erfolgreicher Erprobung wird der Talker samt Zubehör bei der Krankenkasse beantragt. Wird die Versorgung genehmigt, gibt es anschließend einen weiteren Termin für die Talker-Einweisung. In diesem Termin, bei dem im Idealfall auch ein erweitertes Personenumfeld der unterstützt kommunizierenden Person anwesend ist, wird die erprobte Software in der Funktionalität erklärt und der Talker-Einsatz besprochen.
Unterstützte Kommunikation begleitet mich schon seit meinem Studium und es ist mir ein großes Anliegen den Einsatz und den Nutzen von UK zu vermitteln.
Das klingt sehr lohnend! Vermisst du manchmal die therapeutische Arbeit oder deine Klient*innen längerfristig begleiten zu können? Worin siehst du die Vorteile deiner Arbeit im Vergleich zur klassischen Anstellung in einer Praxis?
Es gibt Dinge die ich schon vermisse, wie zum Beispiel die angesprochene Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum. Zu sehen, wie sich jemand innerhalb einer therapeutischen Begleitung entwickelt, wie kleine und größere Fortschritte gemacht werden, war stets ein bestärkendes Gefühl als Therapeutin. Aber für mich war die Praxis zum Schluss auch häufig sehr frustrierend, weil die Bedingungen so therapieunfreundlich sind. Jetzt ist es mir möglich meinen Fokus viel mehr auf ein Thema zu legen und insgesamt habe ich pro Tag mehr Zeit, um individuell auf jede*n Patient*in eingehen zu können.
Bei meiner vorherigen Tätigkeit als Logopädin habe ich Praxisthemen auch häufig mit nach Hause genommen, weil schlichtweg in der Praxis die Zeit fehlte.
Was sind die schwierigsten und was sind die schönsten Momente in deinem Arbeitsalltag?
Das schönste ist, wenn Menschen nach einer Beratung einen Zugang zum Thema Unterstützte Kommunikation bekommen haben und ihnen bewusst wird, dass es letztendlich so viel mehr als „nur“ ein iPad ist. Auch wenn ich beispielsweise nach einer erfolgreichen Versorgung die Rückmeldung bekomme, dass das Kind zuletzt selbstständig Eis in der Eisdiele bestellt hat. Wenn einfach der Talker Teilhabe ermöglicht - ja, da freue ich mich persönlich für die verbal eingeschränkten Patient:innen sehr mit.
Umgekehrt gibt es natürlich auch Fälle, bei denen es nicht gut klappt; das kann dann ganz unterschiedliche Gründe haben. Generell stehen die Teilhabe und die Selbstwirksamkeit immer an erster Stelle.
Du hast einen Wunsch frei, was sich in der Logopädie ändern soll. Was wäre das?
Generell braucht der Beruf meiner Meinung nach mehr Sichtbarkeit, Anerkennung und weniger Bürokratie! Es ist so ein facettenreicher und vielseitiger Beruf, der einfach unfassbar viel Spaß machen kann!
Vielen Dank für das Interview, liebe Anja!
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