Wie starte ich in der Logopädie/Sprachtherapie mit UK?

Wie starte ich in der Logopädie/Sprachtherapie mit UK? - TherAkademie

Unterstützte Kommunikation in der logopädischen Praxis zu etablieren, ist eine wertvolle und wichtige Entscheidung. Unser Ziel in der Sprachtherapie ist die Herstellung eines multimodalen Kommunikationssystems.

Kommunikation ist das Grundbedürfnis eines jeden Menschen, egal welchen Alters. Gelungene Kommunikation ermöglicht persönliche Entwicklung, Teilhabe, sozialen Austausch und Freude.

„Zwischenmenschliche Kommunikation ist ein Grundbedürfnis und essenziell für einen Menschen und seine Lebensqualität.“ (Lüke & Vock 2019).

„Wenn ein Mensch in seiner Sprach-und Kommunikationsfähigkeit schwer beeinträchtigt ist, hat dies weitreichende Folgen für seine Kooperationsfähigkeit und Teilhabe an der menschlichen Gemeinschaft. Um diese Folgen abzufedern bzw. im besten Fall aufzuheben, gibt es Unterstützte Kommunikation.“ (Nonn 2022)

 

Unterstützte Kommunikation

Unterstützte Kommunikation (UK) ist der Begriff für alternative Kommunikationsformen, wenn die Lautsprache für einen Menschen nicht, noch nicht, nicht ausreichend, absehbar nicht oder nicht mehr möglich ist. UK ersetzt und/oder unterstützt die Lautsprache. Das gilt für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Somit ist die Lautsprache eine Kommunikationsform neben den Möglichkeiten der UK. Alle Kommunikationsformen betrachten wir als gleichwertig.

Zur Unterstützten Kommunikation zählen körpereigene Mittel (z. B. Mimik, Gestik, Gebärden), nicht elektronische (z. B. Kommunikationstafel, Kommunikationsbuch, Symbole, Fotos) und elektronische Hilfsmittel (z. B. Taster, Talker) uvm.

Die Sprachtherapie versteht sich als Fachdisziplin, Menschen mit kommunikativen und lautsprachlichen Beeinträchtigungen gelungene Kommunikation zu ermöglichen.

„Die Sprachtherapie dient der Wiederherstellung, Besserung und dem Erhalt der sprachlichen und kommunikativen Fähigkeiten.“ (Heilmittel-Richtlinie (HeilM-RL)/§ 33 Sprachtherapie). Zu den in der Richtlinie beschriebenen Zielen zählen unter anderem die Artikulationsverbesserung, die Schaffung nonverbaler Kommunikationsmöglichkeiten und der Aufbau von Kommunikationsstrategien.

Kommunikation in allen ihren Facetten ist in der Logopädie die alltägliche Profession.

Wie sehr freut es, wenn die UK als Kommunikationsmittel in jeder Therapie der Logopädie genauso selbstverständlich ist, wie die Kommunikationsform Lautsprache.

Immer ist die Reaktivierung der Lautsprache ein Therapieziel. Aber in Einzelfällen steht sie Menschen (aktuell) nicht zur Verfügung; teilweise trotz anstrengender, regelmäßiger Lauterarbeitung! An dieser Stelle darf UK nicht das letzte Mittel der Wahl sein, sondern das erste. „UK darf nicht als Notnagel, sondern muss als fester Bestandteil der Sprachtherapie gesehen werden.“ (Förster & Wahl 2019)

Es geht hier um nichts Geringeres als die Kommunikationsfähigkeit eines Menschen. Diese ist lebensnotwendig und ermöglicht Entwicklung. Um die Kommunikationsfähigkeit eines Menschen zu verbessern, ist es therapeutisch notwendig, alle Kommunikationsformen in Betracht zu ziehen.

Für die Sprachtherapie heißt das: Wir müssen multimodal denken.


Wie kann der Start mit UK aussehen? Wie fange ich mit UK an?

Mit Geduld. In Ruhe. Ganz langsam. Schritt für Schritt. Individuell!

Dabei orientieren wir uns am bio-psycho-sozialen Modell der ICF. Es werden zuerst die Körperstrukturen und Funktionen der Person ohne ausreichende Lautsprache diagnostisch untersucht. Die Ergebnisse sind Grundlage für die Analyse des Ist-Zustands, bei dem laut Nonn et al. (2014) folgende Fragen beantwortet werden sollen:

Welche Einschränkungen, Fähigkeiten und Ressourcen hat die betroffene Person in Funktion und sozialer Teilhabe?

Welche Probleme, Wünsche und Möglichkeiten hat das soziale Umfeld in der Kommunikation mit der Person?

Basierend auf der ICF-orientierten Diagnostik wird ein konkreter Interventionsplan festgelegt, mit dem Ziel einer erfolgreichen kommunikativen Kompetenz im Alltag (Nonn 2022).

„Die Gestaltung des sprachtherapeutischen Vorgehens unter Einbeziehung von Methoden der Unterstützten Kommunikation (UK) richtet sich nach den individuellen Fähigkeiten und Ressourcen einer Person.“ (Löffler & Vogel 2022)

Individuell heißt in diesem Zusammenhang, dass du dir im Einzelfall folgende Fragen beantwortest:

Was kann die Patientin?
Was braucht die Patientin?
Welche Ressourcen hat die Patientin im Umfeld?
Sind Gebärden motorisch umsetzbar?
Können Symbole gezeigt werden?
Auf welche Art kann ein Talker angesteuert werden?
Sind Fotos besser als Symbole?

 

Diagnostik in der UK

Zur Diagnostik eignen sich laut Löffler und Vogel (2020) Beobachtungsbögen und Diagnostikverfahren wie der Goals Grid (Tobii Dynavox & Clarke 2016, Übersetzung Sachse 2018), das Diagnostikposter von Irene Leber (Kommunikation einschätzen und unterstützen (2018) oder der TASP (Bruno 2009). 

Ich möchte für die Diagnostik hinzufügen: DiaKomm von Schreiber & Sevenig und KiAS Kompetenzinventar für die Entwicklungsbegleitung von Klienten aus dem Autismus-Spektrum von Castañeda, Frank, Fröhlich, Götze, Hallbauer.


Vokabelauswahl

In einem nächsten Schritt kümmerst du dich um die Vokabelauswahl. Du fragst dich: Mit welchen Wörtern fangen wir an, den Wortschatz auf- bzw. auszubauen?

Hier ist es wichtig, dass du dich über das Prinzip des Kern- und Randvokabulars in Kombination mit dem Fokuswortprinzip informierst.

Tipp: Prof. Jens Boenisch und Dr. Stefanie K. Sachse haben bezüglich des Kernwortschatzes geforscht. Sieh dich also gerne bei ihnen um: fbz-uk.uni-koeln.de Dort gibt es viele Informationen. 

Die 200 bis 300 am häufigsten gebrauchten Wörter einer Sprache werden als Kernvokabular bezeichnet. Das Kernvokabular ist situations- und altersunabhängig. Erkenntnisse über das Kernvokabular sind das Ergebnis von oben genannten Forschungsprojekten zum Sprachgebrauch von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderungen. Die Untersuchungsergebnisse zeigen, dass nur wenige Wörter häufig von allen Menschen in allen Situationen gebraucht werden.

Diese am häufigsten gebrauchten Wörter werden als Kernvokabular bezeichnet.

Randvokabular: Dieses Vokabular entstammt den individuellen Interessen und den Lebensbedingungen einer Person.

Fokuswörter: 3-5 Wörter, die über einen längeren Zeitraum im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen und mit UK präsentiert und gemodelt werden.


Modelling

UK-Nutzerinnen brauchen Vorbilder, damit sie ihre UK-Sprache kennenlernen und verstehen, wie diese zur Kommunikation eingesetzt werden kann. Mittels Modelling können wir vorleben, wie mit Gebärden, Symbolen oder elektronischen Kommunikationshilfen kommuniziert werden kann. Dabei werden z. B. Fokuswörter vom sprachlichen Vorbild mit Unterstützter Kommunikation hervorgehoben. So lernt das Gegenüber, dass es noch andere Möglichkeiten der Kommunikation neben der Lautsprache gibt. Die Vermittlung von Methoden der Unterstützten Kommunikation (UK) sollte innerhalb kommunikativ bedeutsamer Situationen stattfinden und nicht als isolierte Erklärungen oder Auswendiglernen (Lücke & Vock 2019).

Bei Kindern bietet sich immer eine Spielsituation oder ein Bilderbuchbetrachten an. Lüke und Vock (2019) empfehlen bei Erwachsenen Rollenspiele und Gespräche über Inhalte, die für die Person relevant sind.

Ich möchte an dieser Stelle auf das ABC-Modell von Bernasconi und Sachse hinweisen, welches bei der Interventionsplanung in der Unterstützten Kommunikation (UK) eingesetzt wird: „Sämtlichen Interventionen in der Unterstützten Kommunikation (UK) sollte eine Trias aus Diagnostik, Beratung und Interventionsplanung zugrunde liegen. Interventionsplanung, Umsetzung und Evaluation werden dabei als zirkuläres Modell verstanden. Bei der Planung wird nicht aus einer Diagnose kausal eine Maßnahme abgeleitet, sondern es werden die individuelle Lebenswelt, die Wünsche der unterstützt kommunizierenden (u.k.) Person und die Einschätzung der privaten und fachlichen Bezugspersonen berücksichtigt.“ (Bernasconi & Sachse 2022). Zur Literatur gibt es auch informative Podcastfolgen.

Sehr wichtig für die Praxis: Füttere dich mit Infos. Es gibt Literatur, Webinare, Fortbildungen, Instagram und YouTube etc. Schau gerne in meine Literaturverweise.

Ich bin mir sicher, wenn du Unterstützte Kommunikation in deiner Therapie etablierst, merkst du schnell, dass du einen guten Weg gefunden hast, um Kommunikation möglich zu machen.

Das Wichtigste ist aus meiner Sicht der Wunsch und die Absicht, UK als Kommunikationsform anzuerkennen und möglich machen zu wollen.


Literatur

Bernasconi,T. & Sachse, S. K. (2022): Systematische UK-Interventionen planen mit dem ABC-Modell. In:

Wehmeyer, M & Styp von Rekowski, A (Hrsg.): Unterstützte Kommunikation. Dokumentation der Fachtagung der DGSGB am 11. März 2022 in Kassel. Materialien der DGSGB Bd. 48. Berlin: Eigenverlag der DGSGB, S.15-23

Förster C., Wahl M. (2019) Unterstützte Kommunikation in der Sprachtherapie – Interdisziplinär bewirken wir mehr. In: Fritzsche T, Yetim Ö, Otto C, Adelt A. (Hrsg.) Gut gestimmt – Diagnostik und Therapie bei Dysphonie. Potsdam: Universitätsverlag. 91-112.

Nonn, K. (2022): Aktuelle Grundlagen in der Versorgung mit Unterstützter Kommunikation (UK). In: Wehmeyer, M & Styp von Rekowski, A (Hrsg.): Unterstützte Kommunikation. Dokumentation der Fachtagung der DGSGB am 11. März 2022 in Kassel. Materialien der DGSGB Bd. 48. Berlin: Eigenverlag der DGSGB, S.6-14

Löffler, M. & Vogel, N. (2022): Einblicke in die sprachtherapeutische UK-Intervention in der Arbeit mit Kindern und Erwachsenen mit Behinderungen. In: Wehmeyer, M. & Styp von Rekowski, A. (Hrsg.): Unterstützte Kommunikation. Dokumentation der Fachtagung der DGSGB am 11. März 2022 in Kassel. Materialien der DGSGB Bd. 48. Berlin: Eigenverlag der DGSGB, S.40-43

Lüke, C. & Vock, S. Unterstützte Kommunikation bei Kindern und Erwachsenen 2019


Weitere Tipps

Die Buchreihe: Die UK-Ideenkiste bietet viele Informationen zum Thema UK: www.uk-couch.de

Claudio Castañeda bietet auf seinem YouTube Kanal sehr viele Informationen an.

Webinare z. B. bei logbuk, ZUK Moers

Universität zu Köln - Humanwissenschaftliche Fakultät
Forschungs- und Beratungszentrum für Unterstützte Kommunikation
www.Fbz-Uk.uni-koeln.de

Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation
www.gesellschaft-uk.org

Nonn, K., Engl-Kasper E., Lell, M. &, Päßler-van Rey, D. (2011):Unterstützte Kommunikation in der Logopädie

Bilderbücher zum Thema UK: Instagram @plaudern_UK

Tipps zum Start mit UK im Alltag: Instagram @am.anfang.war.uk


Die Autorin

Christiane Inama aus Bochum
Akad. Sprachtherapeutin, Dipl. Pädagogin, Bilderbuchautorin
www.Sprechzeit-Bo.de
Instagram: @praxis_sprechzeit

Christiane Inama Sprachtherapeutin und Expertin für Unterstützte Kommunikation

 

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