Logopädie mit Menschen mit Demenz – Ein Interview mit Janka Muising

Hallo Janka! Bei TherAkademie bietest du eine Fortbildung zu Ressourcenorientierung und kreativen Lösungsansätzen in der logopädischen Therapie mit Menschen mit Demenz an. Was bedeutet ressourcenorientierte Kommunikation für dich in diesem Kontext?

Hi, ja ich freue mich schon sehr auf die Fortbildung bei TherAkademie! Die Stärkung der Kommunikation und Teilhabe von Menschen mit Demenz ist für mich ein absolutes Herzensthema. Ressourcenorientierung ist hierbei eins meiner wichtigsten Werkzeuge. Menschen mit Demenz erfahren im Verlauf der dementiellen Erkrankung so viele Einschränkungen auf den verschiedenen kognitiven Ebenen. Im Alltag begegnen ihnen immer mehr Situationen, in denen sie sich als nicht kompetent erfahren. Für unsere schnelle und leistungsorientierte Welt sind sie dann oft nicht schnell, nicht präzise und nicht orientiert genug.

Als Logopäd*innen für neurologische Störungsbilder wie z.B. Aphasie sind wir es gewohnt, Einschränkungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Bei Menschen mit einer dementiellen Erkrankung kommt man mit dieser Konfrontation mit den eigenen Einschränkungen häufig nicht sehr weit. Hier ist es wichtig, den Blick zu öffnen und die noch vorhandenen Ressourcen des Menschen in den Vordergrund zu stellen. So können diese Ressourcen gestärkt werden und die Kommunikationsfähigkeit möglichst lange erhalten bleiben. Zudem richten wir so den Blick auf Fähigkeiten, die dem Menschen mit Demenz ein Kompetenzerleben ermöglichen. Dadurch wird die Therapiesituation als sehr positiv erfahren und das Selbstbewusstsein des Menschen mit Demenz wird gestärkt. 


Was empfiehlst du Sprachtherapeut*innen und Logopäd*innen, die zum ersten Mal vor einer Patient*in mit Demenz sitzen? Was sollte man unbedingt beachten?

Die Vorbereitung einer Therapiesituation ist natürlich super, aber bei Menschen mit Demenz ist es häufig schwierig, konkrete Pläne zu verfolgen. Jeder Tag ist anders und wir wissen nie, in welcher Gefühlslage oder Verfassung wir den Menschen mit Demenz antreffen. Je nach Fortschritt der dementiellen Erkrankung kann es schwierig sein, eine Bereitschaft für die Therapie herzustellen, wenn die aktuelle Situation nicht miteinbezogen wird. Es kann z.B. sein, dass der/die Patient*in gerade eine kommunikativ herausfordernde Situation mit der Tochter hatte und sich nun missverstanden und ungerecht behandelt fühlt. Oder der/die Patient*in wurde an dem Tag an einen geliebten, verstorbenen Menschen erinnert und ist nun aufgewühlt und fühlt sich einsam.

Da es im Verlauf der Erkrankung immer schwieriger wird, Gedanken und Gefühle des Menschen mit Demenz nachzuvollziehen, ist es sehr wertvoll sich in der Therapie hierfür Zeit zu nehmen. Zeit für die aktuelle Gefühlslage, für Sorgen, für Wünsche oder Ideen. Diese können verbal aber auch non-verbal ausgedrückt werden. Auch ein kurzes Gespräch mit den Angehörigen oder dem Pflegepersonal zu Beginn der Therapie kann sehr aufschlussreich sein, um auf aktuelle Ereignisse oder Gefühle eingehen zu können. Diese Offenheit, die eigenen Therapiepläne über Bord zu werfen und auf die aktuellen Bedürfnisse des Menschen mit Demenz einzugehen, ermöglichen eine positive und patient*innenorientierte Therapiesituation. 


Du hast einen Wunsch frei, was sich in der Logopädie ändern soll. Was wäre das?

Für die Zukunft der Logopädie wünsche ich mir einen Direktzugang. Die Möglichkeit, selbst logopädische Diagnosen zu stellen und Behandlungen zu verordnen, würde der Logopädie mehr Verantwortung und mehr Unabhängigkeit ermöglichen. Die Expertise der Logopädie würde mehr in den Fokus gerückt werden und so auch das Standing im Gesundheitswesen unterstützen. Zudem wäre die Logopädie angehalten, dieser Verantwortung gerecht zu werden, wodurch die Spezialisierung und Fortbildung in bestimmten Bereichen nochmal an Wichtigkeit gewinnen würde. Ich freue mich über die bisherigen Veränderungen in der Logopädie der letzten Jahre und hoffe sehr, dass wir in den kommenden Jahren gemeinsam noch viel verändern können.


Vielen Dank für das Interview, liebe Janka!

Danke dir für das Interview! Ich freue mich schon sehr auf das anstehende Seminar und einen inspirierenden Austausch mit tollen Kolleg*innen. Bis dahin freue ich mich ebenfalls über Fragen oder Impulse bei Instagram oder auf meiner Website.


Janka Muising ist Logopädin mit Spezialisierung im Bereich der neurologischen Störungsbilder. Sie ist außerdem als Lehrlogopädin und Systemische Beraterin tätig. Zu ihrem nächsten Seminar meldest du dich hier an.

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