OPOL in der mehrsprachigen Erziehung – überholt oder weiterhin sinnvoll? - TherAkademie

OPOL in der mehrsprachigen Erziehung – überholt oder weiterhin sinnvoll?

Als Sprachtherapeut*innen und Logopäd*innen arbeiten viele von uns mit einer hohen Anzahl mehrsprachiger Kindern mit Sprachentwicklungsstörungen oder -verzögerungen.

Der Großteil unserer Berufsgruppe hat während der Ausbildung oder im Studium gelernt, Eltern zu empfehlen, mit ihren mehrsprachigen Kindern nur in ihrer Erstsprache zu sprechen. OPOL – One Person One Language – ist dabei die gängigste Empfehlung und soll Kinder davon abhalten, von den verschiedenen Sprachen in ihrem Umfeld verwirrt zu werden und sprachlichen Input von geringerer Qualität zu erhalten.

Gerade für Kinder mit Sprachentwicklungsstörungen klingt das nach der einzig logischen Lösung.

 

Woher stammt die Empfehlung für OPOL?

One Person One Language wird seit gut 100 Jahren vor allem in Europa häufig empfohlen. Der Theorie zufolge soll die strikte Sprachtrennung dem Kind verdeutlichen, welche Wörter und Strukturen zu welcher Sprache gehören. Dadurch soll Sprachmischen vermieden werden.

Diese Empfehlung basiert auf der Annahme, dass Mehrsprachigkeit nicht die Norm sei und das kindliche Gehirn diesen multiplen Input nur verarbeiten könne, wenn er besonders strukturiert geliefert wird. Dafür gibt es jedoch keine wissenschaftlichen Belege.

 

Ist OPOL überhaupt für alle mehrsprachigen Familien realistisch umsetzbar?

Familien berichten häufig, dass das Prinzip für sie im Alltag nicht umsetzbar ist und sich nicht natürlich anfühlt. In anderen Familien würde eine der Sprachen immer zu kurz kommen, wenn das Prinzip strikt verfolgt wird. 

 

Was ist so schlimm daran, wenn bilinguale Kinder Sprachen vermischen?

Die verschiedenen Strategien und Ratschläge basieren darauf, dass das Sprachmischen bei mehrsprachigen Kindern ein Symptom sei, dass es möglichst zu vermeiden gilt. Jedoch wurde bereits vor Jahrzehnten gezeigt werden, dass das Sprachmischen nicht aufgrund einer Verwirrung erfolgt sondern ein völlig normaler Teil der Mehrsprachigkeit ist – auch bei Erwachsenen (siehe Goodz 1989).

 

Sollten wir in der Sprachtherapie OPOL oder Sprachtrennung noch empfehlen?

Eine strikte Sprachtrennung egal welcher Art ist für eine erfolgreiche Mehrsprachigkeit nicht notwendig. Auch nicht, wenn eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt.

Vielmehr ist es unsere Aufgabe als Sprachtherapeut*innen und Logopäd*innen, Eltern in der Mehrsprachigkeitsberatung mögliche Schuldgefühle zu nehmen und ihnen Ideen und Strategien aufzuzeigen, wie sie dafür sorgen können, dass alle für das Kind relevanten Sprachen und Kulturen im Alltag des Kindes repräsentiert sind. 

In manchen Fällen wurde Eltern von anderen Fachpersonen oder wohlwollenden Bekannten empfohlen, ihre Sprache wegzulassen, damit sich das Kind ganz auf das Deutsche konzentrieren kann.

In dem Fall ist Aufklärungsarbeit besonders wichtig. Sprachentwicklungsstörungen werden durch Mehrsprachigkeit weder ausgelöst noch verstärkt. Jedoch ist der Einfluss auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kind oder die Verbindung des Kindes zur elterlichen Kultur und Sprache bei einer erzwungenen Kommunikation in einer Zweitsprache gefährdet.

 

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Wir haben die Informationen, die wir in diesem Beitrag zur Verfügung gestellt haben, sorgfältig recherchiert. Jedoch können wir keine Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit übernehmen. 

 

Quellen und weiterführende Literatur:

De Houwer (2007) Parental language input patterns and Children’s bilingual use. Appl Psycholinguist.

Goodz (1989) Parental language mixing in bilingual families. Infant Mental Health Journal.

Scharff Rethfeldt, W. (2023). Kindliche Mehrsprachigkeit (N. Lauer & J. Leinweber (Hrsg.); 2. Aufl.). Georg Thieme Verlag KG.

 

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